Uhrschlag an
einer Zikade am Nachmittag
zu spät
als Gezeter
am Geländer der Zeit
vom Zaune zu brechen
tickt ohne Streit
die nackte Existenz
wie ein Fluidum
neu entdeckter Spezies
dunkeltief im Meer
zuckend als Licht
von wo
das Kräuseln des Haares
am Finger
sich rillt
und Bedeutsames
in sich schwängert
auch
auf die Vereinbarung
eines gemeinschaftlichen Verzichts
hin zu
und ohne Wort
Verbindliches spricht
unwiederrufbar
aber Glockenklang klar
bimmelnd
in der Luft
Heimat bezieht
die uns flieht
nach der wir sehnen,
ohne sie zu kennen
und in Gesängen
ihr Abbild
in unser Bewusstsein
hämmert
Blässe von erdhaften Versuchen
unserer Ausstattung
die als Absicht
nach Weiterem
im Zwielicht
überwintert
Währenddessen
keltern die Blasen
welche unsere Asche
im Wellenkamm versucht
ihre Tiefen selbst
und selbst
im Vergehen
zerstäubter Marmor,
der sich seines Ursprungs
erinnert
Perlenketten aus Staub,
die den Rhythmus
der Zeit
wie eine Ewigkeit wahrnehmen
endlich entkoppelt
von allem Irdischen
und von da
eins
mit den Elementen,
deren Tod
so der Filmemacher aus N.
aufs Gefühl zielte,
dem Echo einer Axt
welche an Stelle
von Erkern
lieber am Klang
von Erinnerung baute.
Und doch
so der Jüngere
behielte
der rechte Schlag
im Augenblick
die Tat
nicht zurück,
baute das Feste
im zeitlosen des Vergänglichen
dass dem Vorkoster
der W-Orte
wie ein hohes Lied
auf die Gesänge Salomons
erschiene,
die schon
eine Ablenkung
biblischer Unvernunft sind
das Ziselieren
der Sätze
die, klanggeboren
in Buchstaben nur
die Ahnung
ihrer begrenzten Zeit
atmen,
wo das Ordinäre
mit der Anmut
und die Ahnung
mit der Gewissheit
Hochzeit feiern.
Im Tempel
jener Augenblicke
die Menschen
zu einer
gemeinsamen Geschichte
anrufen,
die nicht gelebt
werden kann,
da Wege
sich kreuzen,
selten aber wie Schienen
immer
das Gleichzeitige
und Einförmige
als Sinn ihres Da-Seins
erfahren.
Bilder,
die
Vorfahren der Worte
sind
klingen in der Stille
wie ein Versuch
einen Tümpel
in Meeresrauschen
zu verwandeln
und klatschen
mit voller Wucht
an eine Mauer,
die uns davor abhält
Größeres zu sein,
jener
hortus conclusus
vor dessen
Eingangsbogen
unsere Hoffnung
Schlange stehen,
Abendgerecht aufgemacht
in Pose
im Warten
wohl gelernt
im Auswendigen
Inneren
und immer noch
das Jetzt
mit dem Ernst
vertauschend,
wie eine Kopie
unseren Versuch
zu bestehen
narrt.
So speisen wir
ungesäuertes Brot
um uns
ritusgemäß
am Leben
zu erhalten,
beugen die Knie
dreimal
und besprenkeln uns
mit geweihtem Wasser….
insgeheim….
es könnte doch…..
Die Schmälerung
des Wirkmächtigen jedoch
seine Relativierung
ist bereits
der Tod des Geistes,
der in einer Konservendose
angereicherten Wissens
seinen Winterschlaft
nicht überlebt.
So wird die Anrufung
in den Zeiten
vor dem großen Kriege
immer eine
Selbstentmächtigung
bleiben,
der schale Versuch,
den größeren Himmel
über eine kürzere Leiter
des Jakobs
inkognito
zu erreichen.
Selbst eine
flauto lamentoso
des sich selbst
bezichtigenden Adepten
verkommt
in jener Willfährigkeit
des
all zu vielen
welches
das Schilfrohr
in seiner Leere
stillschweigend
beklagt.
Kommentar:
A. Point
Korrektur: Wie konnte ich bloß die beiden ehrenwerten Kollegen Hubert Bergmann und Horaz Quint verwechseln? Alle beide hätten sie höchste literarische Weihen verdient, KLARSCHICHT zur Zierde. Doch hier lässt eindeutig Hubert Bergmann die Glocke bimmeln. Tschuldigung…
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A. Point
vor 14 TagenBenutzerinformationen
Wer solche Dichtung deuten, also verstehen will, hat ihren tieferen, sich selbst genügenden Sinn nicht verstanden und sollte Susan Sontags 1966 erschienenen Essay „Against Interpretation“ lesen. Die Blässe des Gedankens kann ein Kunstwerk in extremis sogar zerstören, verhindert in jedem Fall aber eine Betrachtungsweise, die auf der sinnlichen Erfahrung, auf dem Erlebnis von Kunst beruht und dieser ihren Zauber lässt.
Schon gleich zu Beginn führt der Dichter das „Verstehenwollen“ ad absurdum: Wie kann eine Uhr, nachmittags oder wann auch immer, an einer Zikade schlagen? Der Zoologe kennt sich aus: Die Zikaden, auch Zirpen genannt (weil sie nämlich zirpen), sind an Pflanzen saugende Insekten aus der Ordnung der Schnabelkerfen (wie die Pflanzenläuse und die Wanzen) und bilden die beiden Unterordnungen der Rundkopfzikaden und der Spitzkopfzikaden. Sie haben eine dachförmige Flügelhaltung, aus zwei Basalgliedern und einer fadenförmigen Geißel bestehende Fühler und einen an der Unterkante des Kopfes entspringenden Saugrüssel. Meine Favoritin ist die indomalayische Kaiserzikade (Pomponia imperatoria), die 110 mm lang werden und eine Flügelspannweite von 220 mm erreichen kann. Sie zählt zu den rundköpfigen Singzikaden, die mit speziellen Trommelorganen (Tymbalen) für den Menschen hörbare Laute erzeugen – einen zirpenden Gesang, der über das vom Menschen nicht wahrnehmbare Zirpen der anderen hinausgeht.
Hier nun mischt sich der Germanist ein und erinnert daran, dass keine Geringere als Ingeborg Bachmann den Zikaden mit ihrem gleichnamigen, 1955 vom NWDR gesendeten Hörspiel ein literarisches Denkmal gesetzt hat. Auf einer Mittelmeer-Insel, die einigen Loosern als Zuflucht dient, singen die Zikaden ohne Unterlass und besonders durchdringend am Mittag. Vielleicht singen sie deshalb so laut, weil sie, wie es heißt, einmal Menschen waren…
Doch genug der grauen Theorie! Herrn Horaz Quint, dem Poeten, würde ich ein Ticket nach Klagenfurt gönnen. Und während ich mich fasziniert in die Klangwelten seiner Sprache versenke, wird mir Eines ganz klar: Dieser Dichter muss ein Musiker sein…