Den Erlebnissen am Tag wächst in der Nachbetrachtung eine Bedeutung und Einzigartigkeit zu, die sie in ihrem Ereignen scheinbar nicht haben, aber eine Intensität angelegt ist, die sich am Abend entfalten mag.
Die Magie der Zwischenzeit, von Ereignis und späterer Erinnerung ist uns ebenso unbekannt, da das Dazwischen oft als unvermeidliche Routine empfunden wird.
In späten Stunden wird jener Raum geboren in dem sich der Tag spiegeln- und von verschiedenen Seiten betrachten kann und die Gewichtung ändert, die er im Verlauf der früheren Zeit an Schwere auszumachen glaubte. Oder es ist umgekehrt. Das Leichte, unbekümmerte gewinnt spät eine Ausdehnung um die es noch Stunden vorher nicht wußte. Jedenfalls treffen sich die Bilder und geheimen Begegnungen in einer Stimmung die nur angelegt war und sich jetzt vollenden will. Am nächsten morgen schon ist diese Stimmung ganz verschwunden. Sie bleibt zwar erinnerbar aber lässt sich nicht erfühlen. Mein Kellner ist immer gleich freundlich, wie ich immer gleich über meine Existenz zweifle. Könnten wir beide uns über diese Gleichheit verständigen, wäre dies ein enormer Gewinn. Er verstünde, was er nicht kennt und ich schlüpfte in eine Haut die mir von außen betrachtet annehmlicher scheint.
Jedenfalls sind die Verschiebungen der Erlebnisse ein Faktum. Es gibt eine inwendige Zeit und ihr entsprechendes Äußeres, die aber selten übereinstimmen. Wegen diesen Verschiebungen werden die Dramen der Menschen geboren, die sie dann leiden läßt. Stünde alles in zeitlicher Kongruenz gäbe es aber vielleicht keine Entwicklung, es fehlte möglicherweise der Sauerteig, oder die umtriebigen Energien eines ungewissen Vormittages müßten diese schnell hervorzaubern. In ihrer langen Gewohnheit Dinge des Lebens immer wieder gleich abzuwickeln, scheint das ein schier unmögliches Vorhaben versprengter Geister. Sie greifen lieber auf Bewährtes zurück.
Deswegen versuche ich mich umzugewöhnen um diesen Genossen zuvor zu kommen. Was ist denn schon so schlimm an Dramen. Doch nur dass wir diese am Leben erhalten mit unserer Dummheit, die schönen Dinge des Lebens weniger zu sehen, als das Ergebnis von Verderbern, die eben nur dies können, oft auch auf eine ziemlich intelligente Weise. Mir steht es nicht an zu urteilen, was gut oder schlecht sei. Wer weiß schon was für den einen gut und den anderen schlecht ist.
Es ist einfach das Gefühl durch alle Netzwerke hindurch zufallen, was uns zurück federn läßt ins Leiden, denn das scheinen wir besser zu kennen, als eine von diesem befreiten Welt, die ich selbst immer wieder in mir erringen muß. Der Kellner macht einfach seine Arbeit, ein Klavierspieler macht die seinige, der Müllmann gegenüber ebenso. Ist dies so, dann regeln sich die Dinge wie von selbst. Begegnungen die sein sollen werden stattfinden, andere die nicht auf dem Plan des Lebensspiels stehen, werden sich verflüchtigen. Es gibt keine Irrtümer, wohl aber verirrte Geister, die sich in Interpretationen verstricken von denen sie im Eigentlichen nichts verstehen, da sie ihre Welt mit der Welt verwechseln.
Ich sehe, immer wenn ich meine schlechte Gewohnheit wechseln will, werde ich unsicher, weil mir das bekannte abhanden zu kommen scheint. Das ist ein irriges Erlebnis welches mich narrt, um mir mein Fortkommen in den Stunden und Wegen zu verderben. Was hilft es schon eine echte Kommunikation mit den Ereignissen des Lebens, zu Gunsten von nur vorgestellten immer wieder zu praktizieren. Man fängt sich selbst, um sich mit seinen trägen Strategien einzurichten. Dort wollen mir die Geister dieses Vormittages einreden, könne mir nichts passieren. Tatsächlich dort passiert auch nichts, außer das, was sie und ich je schon kannten.
Ich sehe wie die Küchenfrau, die jeden Tag die Kartoffeln des Restaurants im Hinterzimmer schält, jetzt ihre morgendliche Position einnimmt. Sie verträgt sich noch mit der Frühe, erinnert vielleicht Reste ihres alten Lebens, bevor sie in der nächsten halben Stunde an den Kartoffelsack geschwemmt wird. Auch ich werde weggeschwemmt werden an meine Werkbank um dort die Dinge eines Klavierspielers weiter voran zu bringen. Die Kartoffelfrau und ich sind dieselben in dem Moment. Die Auswirkungen unserer Tätigkeit mögen verschieden sein, aber die eigentliche Bedeutung des Tuns mag sich gleichen.
Es gibt Sekundenbruchteile in denen Gefühle und Energien hochschießen, die nur für bestimmte sensible Menschen bewußt wahrnehmbar sind, wenn auch im Moment ihres Ereignisses kaum deutbar und noch weniger zu beherrschen. Dies mag erklären warum die meisten Menschen sich mit Symptomen herumplagen und die Sensiblen, diese bevor sie als solche erscheinen, direkt und ihrer gegenwärtig austragen. Man entkommt solchen Zuständen einer geheimen Zwischenwelt nicht. Manche mögen sich in der Steuerung dieser Phänomene versuchen, scheitern aber früher oder später an der Eigendynamik dessen, mit der sie sich planvoll eingelassen haben, zu Zwecken für die diese magischen Momente nicht gedacht sind.
Wir werden verzaubert und versuchen den Zauber zu entmachten. Stattdessen finden wir uns wieder in einer Durchreiche einer Alchimistenküche, in den uns dieser Moment hineinversetzt, weil wir für die Rolle des Entzauberers nicht geschaffen sind. Das „Algebra der Geheimnisse“ (F. Pessoa) ist nur Jenen zugänglich, die schon lange die hintergründigen Bedeutsamkeiten des Lebens studieren, um zu verstehen was Leben überhaupt sei. Nur auf Grund einer äußersten und langen Selbsterschöpfung und Opferung ist dies erfahrbar, freilich eine, die nicht zum Verlust des Studierenden führt.
Aber es ist weder eine Frage des Besseren noch des Schlechteren. Es ist einfach das Leben in seiner unendlichen Verästelung an sich.
Die Kartoffelfrau entfernt sich.
Ich gehe an die Werkbank.
Wir alle sind mehr oder weniger tief, auf eine geheimnisvolle Weise verbunden und schaffen es nicht das Unangenehme oder Schmerzliche abzuschneiden. Denn Liebe läuft uns nach, wir werden sie nicht los.
Wir werden nur geschält um einen Zustand zu ändern der so gar nicht gedacht ist. Wir sind nicht verloren.