der sommer
brutzelt
die letzten gedanken
an eine revolution
vor sich her,
als sei
die mögliche veränderung
der verhältnisse
eine Art
kostenpflichtige pauschale
zur nutzung
ortsüblicher freibäder
die von einer verweigerung
des wandels
okkupiert sind.
der sinn
treibt flach
und reglos
an der oberfläche
summenden gejaules
und
die zehntscheuer
pflichtgemässer meinung
ist gefüllt
mit
sich selbst generierenden floskeln
zum tagesgeschäft
der macht.
der see genezareth
schlafwandelt
über sich selbst.
dass wir auch jetzt
nichts ahnen
wird zumindest
im
erzwungenen niedergang
der anderen
in einem menetekel
ersoffener ferne
sichtbar.
verpackt
in einer rente
deren zustande kommen
auf der dummheit
manch junger generation beruht.
dächten sie,
säßen wir
zusammen
und würden uns
über die nutzloßigkeit
der nächsten revolte
im six pack
flirrender luft
ergötzen.
die alten götter
säßen wieder am tisch
und druckerschwärtze
hätte noch
eine bedeutung.
statt dessen
philosophieren wir
im schlechten witz
über die strandbäder
unserer vorväter
in denen
das braun werden
nur schwer
unter propaganda gelang
und deswegen ebenso
scheiterte
wie das
diktat eines konsums
dessen farbbrei in fäulniss
noch leicht
mit jenen
von hinterlassenschaften
konkurieren kann.
oh sommer
so groß
dass nur noch
die bebrütung der leere
das unwahrscheinliche
in die welt bringt,
jene frucht
welche die
bestehenden verhältnisse
einem perspektivwechsel unterzieht
und
unumkehrbar
die übernächtigten tage
im zwielicht
verlorenen bewußtseins
wieder
auferstehen läßt.
wenn jetzt
die schranken fallen
und sich die
blaupause der geschichte
in ein lebendiges tier
verwandelt,
werden wir
im zoo der systeme versuchen
die platinen unserer arbeitsspeicher
zu planken
einer letzten arche
zu löten.
eine armada
von ideen
wird das sickerwasser
des verlust’s an leben
das in den ritzen
unserer selbstvergessenheit
wuchert
nicht
in eine
variante anthropotechnischer kunststückchen
ziselieren können.
und so säuft
der gewhonheitsmensch ab
wie eine flaschenpost
deren zeit gekommen ist,
ohne dass sie
einen adressaten je
von ihrem inhalt
überzeute.
das treibgut
dieses
tsunamis der narreteien
wird zu einem puzzle
unwägbarer zeit
das an den händen
des gekreuzigten
schon vor 2000 jahren
heruntertropfte.
das lecken
um ein
quäntchen lebenssaft
hat begonnen,
die wüste
bereitet
ihren
sandigen grund…
Hallo Hubert,
Dein „Sommer Gedicht“ ist reichlich pessimistisch geraten ! Als Ausgleich hierzu eines von Hannes Wader. (fast so lang wie Deine Gedichte !!!) Grüsse !
Frau Klotzke
Es ist wieder Sommer, meine Nachbarin
Ich kenne das schon, ich schau‘ gar nicht mehr hin
Öffnet das Fenster nach beiden Seiten
Und beginnt zwei Kissen vor sich auszubreiten
Eins für sich sich selbst und eins für den Hund –
Dessen haarloser Wanst ist überall wund
Ein krankes Tier, das mehr kriecht als es läuft
Weil sein Hängebauch über den Boden schleift!
Die Frau beugt sich raus, sie ist überaus fett
Und schleudert ihre Titten übers Fensterbrett
Am Samstag, als ich im Freibad war
Sah ich auch meine Nachbarin da
In ihrem Unterrock saß sie am Strand
Das Gesich eingefettet, zur Sonne gewandt
Die Haare wie immer strähnig und kraus –
Wie ein Bündel faulendes Heu sah das aus!
Sie fing gleich an, mir was zu erzählen
Und bat mich ihr den Rücken zu ölen –
Ich habe ihr dann den Gefallen getan
Erinn’re mich aber nicht gern daran!
Am späten Abend ging ich mal raus
Zu Paul, der hat ’ne Kneipe im Vorderhaus
Da ist Sonnabends Tanz – ich geh‘ selten hin
Höchstens um mir Zigaretten zu zieh’n!
Meist sitzt da einer im Nylonhemd
Ein Schifferklavier vor den Bauch geklemmt
Verdient sich ein paar Mark neben seiner Rente
Und beherrscht, so sagt man, zehn Instrumente!
Ich setzte mich ganz kurz auf ein Bier
Dann nahm ich meine Sachen, ging wieder zur Tür
Grad‘ hatt‘ ich auf die Klinke gedrückt
Da reißt mich ein Kerl am Arm zurück:
„Im Freibad meine Frau zu betatschen, du Schwein
Dafür hau‘ ich die sofort eine rein!“
Ich bückte mich, hielt mir ’nen Stuhl vor’s Gesicht –
Zum Glück meinte einer: „Du, mach das nicht
Mit deiner Frau haben wir dich alle schon mal
Und bis jetzt war’s dir immer scheißegal!
Der komische Vogel soll ’ne Lage ausgeben –
Komm trinken wir einen, lass ihn am Leben!“
Sie schleiften mich an die Theke nach vorn‘
Ich bestellte schnell eine Runde Korn –
Alles trank, bis plötzlich einer drauf kam
Mich gesehe zu haben, mit Gitarre im Arm!
Ich solle mal etwas schönes singen
Ein Instrument würde man mir schon bringen!
Mein Nachbar wünschte sich das Wolgalied
Ich sang es und gleich gröhlten alle mit
Auch hockten inzwichen gerührt und stumm
Ein paar dicke Mädchen um mich herum
Ein Säufer, der versucht hatte mitzulallen
War schon schnarchend vom Stuhl gefallen –
Meinem Nachbarn war die Wolga noch vom Krieg her bekannt
Er begann zu weinen und drehte sich zu Wand –
Beim Refrain, an der Stelle mit den Engelein
Heulte endlich der ganze Verein!
In dem Augenblick stiller Ergriffenheit
Öffnete sich die Tür ganz weit
Und eine sehr fette Frau erschien
Ihren Hund an der Leine – meine Nachbarin!
Sie hatte, kaum war war sie hereingekommen
Dem Hund die Leine abgenommen –
Der todkranke Köter schleppte sich dann
Pfeifend und zischend zu jenem Mann
Der unter den Tisch gefallen war
Und leckte dessen Gesicht und Haar
Der Mann erwachte, riss die Augen auf, schrie
Schlug mit der Faust nach dem ekligen Vieh
Dass es jaulend über die Tanzfläche flog
Nach Atem ringend den Schwanz einzog!
Meine Nachbarin hatte dem Gescheh’n
Mit geöffnetem Munde zugeseh’n
Der Hund kroch zu ihr, sie rief seinen Namen
Und brach gleich darauf über ihm zusammen!
Ihr lieber Ehemann meinte nun
Er müsse seinerseits auch etwas tun
Zerrte den Mann unterm Tisch hervor
Schlug ihm sein Bierglas hinter das Ohr
Und sprang ihm mit seinem vollen Gewicht
Und beiden Füßen zugleich ins Gesicht!
Der Ärmste setzte sich erst noch zu Wehr
Schließlich rührte er sich garnicht mehr –
Mein Nachbar ließ endlich von ihm ab
Worauf er sich setzte und ’ne Runde ausgab
Er schob mir ein Glas hin, dann wollte er gern
Nochmal das Wolgalied von mir hör’n!
Ich begann von vorn und nach ein paar Tönen
Kamen ihm schon wieder die Tränen
Auch seine Frau, mitsamt ihrem Tier
Sank auf einen Stuhl und lauschte mir
Von einer vesöhnlichen Stimmung gepackt
Saß mein Nachbar bis zu letzten Takt
Beugte sich dann runter zu dem hilflosen Mann
Und bot ihm auch was zu trinken an –
Der verstand kein Wort, lag da ganz krumm
Und kaute auf geronnenem Blut herum
Mein Nachbar ging daran ihm, noch halb im Liegen
Die Kiefer auseinanderzubiegen
Und kippte, um alles wieder gutzumachen
Dem Ärmsten ein volles Glas Bier in den Rachen!
Der nahm von alldem gar nichts mehr wahr
Weil er schon vorher besinnungslos war
Und erstickte, ohne sich sehr zu quälen –
Bliebe zu Schluss noch zu erzählen
Dass mein Nachbar mir gleich einen Vorschlag machte
Als ich grad‘ an nichts Böses dachte –
Das mit der Leiche sei wohl weniger schön
Doch müsse das Leben ja weitergeh’n:
Ob ich Lust hätte, seiner Frau das Singen
Und Gitarre spielen, beizubringen . . .
Jau Klausen, ennlich ma was los hier
ganz schwarz seh ich ja noch nicht
vielleicht lags aber am Feinstaub des Kaffees nebst der Straße, isch gelobe
Besserung:
Der Sommer
hat halt begonnen
sein Ende
ist schon nah
es sei mir
nicht benommen
dass ich auch
drinnen war
Huschende Fledermäuse.
Zum Trocknen aufgehängte Kleider
Schatten dunkler Wolken
Ikaku (1661 – 1707), japanischer Dichter, Schüler Bashôs
Schlagschatten im Mond
cursor im dichten Gebüsch
so ruckelt die Maus
Hout Layb ( 2456 a. D.)
Wie Hosen im Wind
bunt blau gelb im Schattenwurf
so flattert mein Geist
hout layb (1243-1189)